Mittwoch, 23. Oktober 2013

Träume und Psychologie

Gestern Nacht jagten mich mal wieder Träume aus dem Schlaf und berührten mich so heftig, das die Nacht erledigt war.
Der Inhalt tut nichts zur sache. Aber es bringt mich dazu etwas über die Oneiroi, die Kinder der Nacht (Nyx) zu schreiben und möchte dabei auch kurz ihre Bedeutung für die Psychologie ansprechen. Auch was die antike Mythologie insgesamt angeht und die ihre Bedeutung in der psychologischen Forschung in einem symbolischen Ausdruck erhielt, und was leider heutzutage zu oft als Gegenmodell zum eher lebendigen Verständnis der Mythen verstanden wird.



Träume sind in meinem Leben äußerst wichtig. Ohne sie wäre ich weder zum Polytheismus noch zum Buddhismus oder allgemein zur Mystik gekommen. Als Kind konnte ich sie oft sogar steuern und aktiv Wesen aufsuchen um mit ihnen zu sprechen. Als ich später in einer privilegierten Zeit über drei bis vier jahre äußerst viel zeit zum meditieren und ritualisieren hatte, kam diese Fähigkeit wieder und führte zu einer Zeit für mich bahnbrechender Erkenntnisse und Erlebnissen in bezug auf Götter und die Welt. Schätzen konnte ich das allerdings erst Jahre später.

Die Oneiroi wurden lt. Hesiod am Beginn der Zeit, lange vor der Zeit der Titanen als Kinder der Nacht und des Erebos (Finsternis) geboren. Meist wird damit ein ganzes Herr an Geistern bezeichnet, aber es tauchen auch Götter auf wie Morpheus, der als ihr Anführer gilt, Phantasos, Ikelos und Phobetor.
Das Land der Träume (demos oneiros) liegt im Eingangsbereich der Unterwelt, nahe bei den Asphodelwiesen, dem ersten Bereich für die Toten. Hier und da heißt es, das die Träume zu Beginn der Nacht die Unterwelt durch zwei Tore verlassen, eins aus Horn und eins aus Eisen. Jene die das Tor aus Horn passieren schenken den Menschen prophetische und Götter inspirierte Träume, die die durch das aus Eisen kommen dagegen sind falsch und ohne Bedeutung. Morpheus selbst wird gern beschrieben als ratgebender Gott der im Traum vor allem den Königen erschien, als Bote der Götter.
Und die melas oneiros, die Alpträume, quälen den Menschen im Schlaf.

Vor allem der Nachtmahr, wird in unserer Kultur als den Menschen im Schlaf quälender Geist bis weit in unsere zeit beschrieben.

Nicht jeder kann sich immer oder oft an seine Träume erinnern. Wer das tut, erkennt oft diese drei Seiten der Träume selbst. Bis zu Zeiten von den ersten Psychologen Freud und Jung galt den Träumen ohne erkennbar tieferen Sinn oder wiederkehrende oder gar Alpträume keine besondere Aufmerksamkeit, sondern wie schon zu Zeit der Antike vor allem als dem Menschen aufgebürdete Last, wie andere Kinder der Nacht.
Die Träume sind Schwestern und Brüder von Hypnos, dem Gott des Schlafes und dem Thanatos, dem Tod.
Ich finde hier wird auch deutlich, was unsere Natur des Menschen ausmacht als den Göttern gegenüber andersartig und auch unterlegen. Denn jene werden die Todlosen genannt, und sie schlafen und träumen wohl auch nicht, so wie wir es tun. So sehr in der griechischen Mythenwelt die Unterwelt als getrennt und fern von der Welt der Lebenden gezeigt wird, zeigt sich jedoch in den Träumen wie nah sie doch dem Menschen auch während des Lebens ist. Und wie sehr sich der Menschen diesen und anderen Kräften ausgeliefert gefühlt hat. So anders als heute, in denen sie als Auswüchse des fantasiereichen Unterbewußtseins gelten.
Dennoch zeigt sich in dem Schrecklichen auch zugleich das göttliche und helfende: Prophetie und göttliche Botschaften. Auch wenn die Oneiroi Kinder der Nacht und Wesen der Unterwelt sind, dienen sie allen Göttern, auch den himmlischen, als Wege den Menschen Botschaften zu geben und sich in Verkleidung ihnen zu zeigen.
Vor allem im Heilkult des Asklepios zeigt sich die Bedeutung der Träume für den Menschen und wie nah sie diese mit dem göttlichen verbanden. Im Heiligtum des Asklepios, dem Heilgott, wurde der Tempelschlaf praktiziert, bei dem der Hilfesuchende den Gott erwartete, ihm in seinen Träumen das Heilmittel aufzuzeigen. Betrachten wir heute sowas eher skeptisch, gibt es gleichzeitig achäologische Funde von unzähligen Votivgaben an den Gott mit Inschriften des Dankes für die erfolgte Heilung.

Der Tempelschlaf mit der Bitte um göttliche Unterweisung und Intervention war in der Antike über Jahrhunderte eine weit verbreitete Praxis. Im experiemtierfreudigen modernen Heidentum, okkulten Kreisen und Mystikern hat er seine neue, abgewandelte Form. Träume sind auch hier wieder mögliche Botschaften und Unterweisungen.
Was in der Mythologie weniger zum Ausdruck kam, in moderner Esoterik und verwandten Ansichten verbreiteter Glaube, ist das wir im Schlaf unsere Psyche vom Körper lösen. Mal mehr mal weniger bis zum zeitweisen vollständigen verlassen, der dann demjenigen den Weg zur Unterwelt u.U. ermöglicht (dem schamanischem Reisen ähnlich) oder andere Orte und Menschen besuchen kann. Auch Zeitreisen in die Vergangenheit und Zukunft sind möglich, wenn auch im ersteren Fall eher bedingt durch die Erinnerung der Seele, was wieder an Reinkarnationslehren anknüpft.

Ich halte das alles für möglich und hatte hier und da Träume, die ich für eines dieser Phänomene halte.

Aber wohl am verbreitesten und viel öfter sind die "normalen" Träume, jene ohne oder erkennbare Bedeutung. Bis Freud kam.

Die Traumforschung war es, die den Weg für die moderne Psychologie, in Gestalt von Jung und Freud, ebnete. Sie stellten bei immer wieder wiederholten Gesprächen und Erzählungen über die Träume ihrer Klienten fest, das sich symbolisch das komplette Leben und die seelische Verfassung desjenigen vor ihnen ausbreitete. In einem einzigen Traumsymbol konnte eine ganze Geschichte stecken, die der Träumende erlebt und womöglich vergessen hat und was das für Folgen für ihn hat. Traumata, die schwerwiegenden neurologischen und psychischen Störungen eines Menschen als Ergebnis zutiefst verstörender Erlebnisse, haben nicht nur eine Ähnlichkeit im Namen, ihre Entdeckung und Behandlungsmöglichkeiten bis zumindest teilweiser Heilung, haben hier ihren Ursprung: in der Traumforschung.
Die Unterwelt, als ehemals ferner Bereich der Toten, wird hier zum Teil des Unterbewußtseins und  des (kollektiven) Unbewußten, das allen Menschen gemein ist und bestimmten Regeln entspricht.

Viele die hier lesen wissen auch, das noch eine andere Entwicklung dem Weg geebnet wurde: der Theorie der Archetypen als Erklärung von Mythen und Mystik in psychologischen Konzepten.

Ich möchte hier gleich einwenden, das ich glaube das viele, die das Wort Archetyp leichtfertig in den Mund nehmen, diese Lehre von Jung mißverstanden haben. Die meisten, mit denen ich auch persönlich zu tun hatte, haben seine eigenen Werke oft auch gar nicht gelesen. Jung ist auch wirklich schwer zu lesen, das muß ich zugeben. Ich bin aber froh, das ich mich da durch gekämpft hatte, denn ich glaube nicht seitdem das Jung die Erfahrungen und Erzählungen der Mythen und ihrer Götter als rein psychologische Konzepte des Menschen herunter gebrochen hat, sondern das er Begriffe gesucht hat um das Erlebnis auf seiten des Menschen beschreiben und in ein System fassen zu können, ohne die wissenschaftliche Ebene verlassen zu wollen.
Kerenyi, der oft auch in seinen philologischen Werken den Begriff des Archetyps nutzt, wenn auch auffällig vorsichtig, hat für meinen Geschmack diesen Umstand erfasst und es scheint in seinen ansonsten wissenschaftlichen Werken durch, was ihnen alsweilen eine gewisse poetische Schönheit verleiht.


Träume sind also immer Botschaften. Entweder aus dem eigenen Inneren oder aus einem anderen Bereich. Diese Begegnung findet jedoch auch immer im eigenen Inneren statt. Das kann man aus der psychologischen Forschung folgern, aber auch wenn man bedenkt das die Natur der Träume an sich gleich ist. Ob sie jetzt was aus dem eigenen Leben erzählt, oder von etwas anderem.

Diese Ansicht verlagert das scheinbar äußere Erleben von göttlichen und anderen Wesen ins eigene Innere. Polytheisten und andere religiöse Menschen fühlen sich jetzt hier oft angegriffen, als wäre das was sie erleben dumme reine Phnatasie. Und leider wird diese Überzeugung oft vermittelt von Menschen, die aber, wie ich wirklich festhalten muß!, diese psychologischen Konzepte nicht verstehen und sich auch oft nicht wirklich damit auseinander gesetzt haben.
Es ist zu einem traurigen äußerst oberflächlichem Gut von Allgemeinwissen geworden. Empfindsamen Menschen wie mir, die mit ihrer sensiblen Natur oft und fast überall Götter, göttliche Wesen, Geister oder die Ahnung einer anderen Lebendigkeit und Präsenz vermuten und manchmal spüren, begegnen denn auch dem schrecklichen Vorurteil, man sei letztlich Spinner und weltfremd und schließlich seien die ganzen Mythen ausgedacht.

Dabei wird die Kernaussage des ganzen völlig mißverstanden oder sie ist dann auch noch unbekannt.
Letztlich bedeutet das ganze nämlich das ALLES was wir erleben, und sehen und fühlen, sei es ob wir schlafen oder wachen, Träume haben, Erinnerungen nachhängen, arbeiten oder ausgehen...IMMER erfassen wir diese Wirklichkeit mit unserem Bewußtsein und seinen Sinnen, verarbeiten diese und ziehen daraus Rückschlüsse und Folgerungen, genießen den Moment oder hassen ihn. Das eigentliche Erleben der Wirklichkeit findet im Inneren statt. Die Wirklichkeit der Götter und Träume ist nur einfach nicht so offensichtlich, letztlich dem Menschen doch sehr fremdartig und das einzige was bleibt sind letztlich seine Empfindungen...und wieviel Realität er ihnen zuspricht.

Zum Schluß muß ich deswegen hier auch auf die buddhistsiche Lehre von der Wirklichkeit und dem Bewußtsein eingehen. Mal abgesehen davon, das die Psychologie auch hier ihren Input bekam, als sie anfing eine Forschung und wissenschaftliche Disziplin zu werden. 
Im Buddhismus ist alles Bewußtsein. Es ist die äußere Welt, die eine Illusion ist. Zwar sind die sechs Daseinsbereiche und alle anderen Welten, z.B. die Unterwelt, auch psychologische Konzepte, aber sie sind auch absolut reale Orte und nicht getrennt voneinander. Sich mit Göttern zu beschäftigen und wenn es nur theoretisch ist, kann sie dem Menschen bereits näher bringen. Umgekehrt ist ein Mensch, der zu äußerster Grausamkeit neigt, der Hölle sehr nah, die er höchst wahrscheinlich in seinem eigenen Inneren bereits erlebt.
Welchen Welten man nahe ist, ob unsichtbar oder real, das zeigt sich nicht zu letzt auch und gerade und immer in den Träumen der Menschen.
Wie wahr es ist, das es das Bewußtsein des Menschen ist, wie er seine Welt um sich erlebt und erfährt, zeigt sich oft in den für "normale" Menschen unverständlichen schrecklichen Taten von Psychopathen und Schizophrenen, aber auch schon oft in den kleineren Störungen neurologischer Pathologien, die wirklich sehr sehr viele Menschen haben.
Ganz simpel: wer kennt nicht die Menschen, zu denen man freundlich und hilfsbereit sein kann, aber man tut ihnen ja nie gutes, und sie leiden immer und alles ist schlecht zu Ihnen?
Auch ist dieses Erleben nicht fest und statisch. Wenn wir unsere Meinung ändern, unseren Lebensstil plötzlich ändern, etwas für schlecht halten was voher gut war und umgekehrt, liegt an unserem Bewußtsein und was dort passiert.

Wir denken oft wir teilen dieselbe Welt, aber dem ist nicht so. Es ist ein Geschenk der Gaia, das wir eine äußeren Rahmen haben in dem wir uns begegnen können, aber wir sind in unserem Inneren oft unterschiedlich. Manche wie die oben beschriebenen leiden fürchterlich seelisch und man kann Ihnen letztlich nicht helfen, wenn sie in ihrer Welt bleiben. Andere leben in einem inneren Paradies was sie jedoch auch unempfänglich für das Leid anderer macht und andere Welten durchdringen und bedingen sich gegenseitig. Es wird hier sehr spannend. Die Bewußtseinslehre des Buddhismus ist komplex und seine Verzahnung mit der westlichen Psychologieforschung zeigt unglaubliche viele Wahrheiten und Gesetzmäßigkeiten auf, was Menschen und ihre Beziehungen untereinander allein schon angeht. Und vieles ist unheimlich und wirkt letztlich bedrohlicher als eine antike Mythologie von Dämonen und Geistern.

Ich glaube irgendwann muß ich da mal mehr zu schreiben, auch weil gerade auch hier in meinem Leben die Götter eine große Rolle spielen: als Lehrer, als Führer, als postive Einflüsse auf den Geist, als Schutz daher auch was Einfluss anderer Menschen angeht (was oft subtil und - beidseitig - wahnsinnig unbewußt abgehen kann), aber auch als Quäler und Strafende. Phänomene die sich in den Gottheiten der Unterwelt vor allem ausdrücken.

Ich muß sagen, ich bevorzuge diese Welt der Götter, Geister und Dämonen. Sie sind weniger beängstigend als was Menschen und ihre Auswüchse in der Psyche angeht und es gibt auch genügend Dinge die man tun kann um sich zu helfen oder Götter, die gerne Trost spenden, wenn man am Boden liegt. In unserem, "normalen" westlichen Leben, wohlgemerkt (Ich weiß, es gibt andere :-( )

Allein den Träumen, den Oneiroi, ist man so wahnsinnig hilflos ausgeliefert. Ob es Gutes oder Schlechtes heute Nacht geben wird, wir werden sehen.

Heil euch, Morpheus und den Träumen, den schrecklichen
Lasst mich schlafen in süßer Umarmung des Hypnos,
im Geist den Göttern nah und im Herzen den Frieden
haltet ein in eurer Wut und Lust zu strafen
seid sanft und gnädig dem Gemüt
bringt Gesundheit und Labung!


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