Praxis

Für Rekonstruktivisten ist es sehr wichtig praktisch die Götter zu verehren, als theoretisch. Dabei stehen im Zentrum die Opferrituale.
Den um Tradition bemühten Hellenisten ist der möglichst authentische Ablauf danach wichtig.
Es geht darum was und wie etwas getan wird und weniger darum was genau geglaubt wird.
Und das meist recht unspektakulär.
Die Götter werden nach bestimmten Regeln verehrt und ihnen wird in bestimmter Form geopfert und das macht auch den Kern der individuellen religiösen Praxis aus. Es gibt keinen rechten Glauben oder Dogmen in dem Sinne, wie es die z.B. auch im Christentum gibt. Es gibt gewisse Hauptrichtungen wie die Götter verstanden werden, aber das geht meist Richtung Philosophie und wird nicht als so wichtig angesehn, als das man sie tatsächlich verehrt und sie prinzipiell als herrschende Mächte anerkennt.

Aufgrund der Natur der Gottheiten bzw. der Besonderheiten der überlieferten Praxis ergeben sich für den Praktizierenden ein bestimmter Verhaltenskodex, aber der gilt nicht als zentrales Element der Religiösität, sondern dient der Vermeidung unglücklicher Umstände durch vermischen nicht kompatibler Kräfte.

Zwei zentrale Elemente sind bei der Praxis für uns heute wichtig:
1. die Verehrung daheim, die Beachtung der Hausgötter (household gods)
2. die Beachtung des überlieferten Kultkalenders mit seinen monatlichen und jährlichen Festen

Das Opfer ist das zentrale Element! Wenn sonst nichts gemacht wird, es wird stets die Gottheit angerufen, sprich begrüßt und eingeladen das was man übereichen will, bitte anzunehmen.

Warum opfern?
Kurz gesagt, weil man auch mal Freunde einlädt, und ihnen etwas gibt. Und zu besonderen Gelegenheiten gibt es Geschenke. Und warum tut man das? weil man sie gern hat, daher möchte man auch das sie einem wohlgesonnen bleiben und öfter vorbei schauen.
Im groben sieht das auch mit den Göttern aus. Man sollte nie vergessen, wenn man mit derlei Menschen wie mir zu tun hat, das Götter als absolut real gesehen werden, deren Welt sich mit unserer überschneidet.
Und wir haben Sehnsucht nach ihnen, wollen ihnen nah sein und haben sie gerne um uns. Auch streben wir ihnen ähnlich zu werden und folgen ihnen daher, was sie uns wohl auftragen oder auch zumuten.

Nun gibt es natürlich auch welche, deren Umgang eher heikel ist oder gar unangenehm und gefährlich: Auch jene bekommen Opfer: hier tatsächlich als eine Art "Bestechung"als Besänftigung und vielleicht auch als Begleichung einer Schuld.

Prinzipiell ist das Opfer eine Tat der Großzügigkeit, ein Ausdruck des Respekts und geht in die Richtung Gastfreundschaft, deren Schirmherr Zeus Xenios ist und der wichtigste Leitsatz im Umgang miteinander tagtäglich.

Das wichtigste Opfer ist hierbei das Trankopfer: die Libation. Traditionell eine Mischung aus 2/3 Wasser und süßem roten Wein. Früher stets täglich, auch heute bei vielen Hellenisten tägliche Praxis am Altar daheim.
Nächst wichtiges ist das Rauchopfer: einmal ist hier der Weihrauch zu nennen und das Verbrennen von Opfergaben. Es gibt z.B. traditonelle Noumenia-Kekse aus Gerstenmehl, die an diesem Tag geopfert (und gegessen) werden. Früher war hier natürlich das Tieropfer wichtig.
Sehr oft liegt am Altar ein Lorbeerkranz oder eine Art Schleife daraus. Dies gilt zu Ehren von Apollon und als Symbol für alle Göttlichen.
Bevor der Altar verwendet wird, wird früher wie heute erst Gerste über ihn geworfen und dann mit Khernips gereinigt. Vorher wird stets sich gesäubert, alle profanen Gedanken werden möglichst weg gesperrt und man reinigt seine Hände mit Khernips bevor man zum opfern über geht.
Es gibt traditionell nur eine Kerze oder Flamme am Altar: das gilt der Hestia.
Zentral steht die Opferschale für die Libationen und in Reichweite das Behältnis für das Trankopfer (traditionell: Kylix)
Gern vergessen und übersehn wird, ist das Hymnen und Gedichte, die laut zu Ehren der Götter gesprochen werden, ebenso Opfergaben sind. 

Da wir die Antike lieben, freuen wir uns besonders wenn wir Replica verwenden können. Ansonsten wird eben improvisiert. Wichtig ist nur, das hierzu keine profanen, alltäglichen Gegenstände verwendet werden.
Als Hymnen werden meist die überlieferten orphischen Hymnen oder die homerischen verwendet. Meist zusätzlich ergänzt sind individuell verfasste eigene Gedichte und Lieder.

Der antike Grieche war opferfreudig und sehr mit der Frage der Reinheit beschäftigt. Daher ist das auch heute ein immer wiederkehrendes wichtiges Thema. Daher ist wirklich wichtig, sich zumindest ansatzweise der Reinigung zu widmen und Ort und Stelle stets erst mit der Gerste und dem khernips zu segnen.

Äußerst bedeutsam ist hier die Frage des Miasma: der Verunreinigung an sich. Miasma hält die Götter fern oder erregt sogar ihre Wut, wenn sie miasmatisch verunreinigte Opfer erhalten.
Das menschliche Leben ist an sich miasmatisch, denn es ist voll mit Blut, Schmutz, Alter und Tod. Geburt und Tod sind Hauptgründe für starkes Miasma. Aber auch Verbrechen, v.a. Mord, und andere Umstände, die den geist des Menschen stark verunreinigen.
In einem solchen Fall war früher der Zugang und die Teilnahme an öffentlichen Festivitäten oder das Betreten eines temenos, eines heiligen Bezirks, verboten. Einmal hält es v.a. die himmlischen Gottheiten fern, aber es gibt auch psychologische Gründe, da derart miasmatische Verunreingungen einfach auch bedeuten, das der/diejenige gar nicht in der Lage ist, sich geistig auf die Praxis einzulassen und das wirkt sich dann auf die gesamte Gemeinschaft während des Rituals aus.
Kurz gesagt, die alten Griechen hatten einen Sinn für unbewußte gegenseitige Beeinflussung. Das wird auch nochmal interessant, wenn es um die Reinheit der Frau geht.

Stattdessen werden hier Opfer an die chtnonischen Gottheiten, wie der Hekate wichtig, die von den Betroffenen dann für sich meist, unternommen wurden. Opfer wie z.B. an Hekate widerum wirken nämlich reinigend, sind jedoch anders vorzunehmen, als das Opfer an die himmlischen und olympischen Götter.

Ein umfanreiche Hilfe zu den Festen stellt folgende Seite auf englisch von Elani dar. Ich richte mich nach diesem Ablauf wenn ich ein hellenistsiches Fest feier und erlebe es auch als sehr bereichernd:
PAT Rituals

Artikel zur Praxis:

Tägliche Praxis - wie und warum ganz persönlich 

(Schnelleinstieg)

Wie anfangen - Theorieinput

Die Hausgötter Teil 1

Das sakrale Opfer - warum es wichtig ist was wir geben und wie
Wichtige englischsprachige Seite zur Hauspraxis:
Hellenic Devotion at home

Zu dem Thema Warum Opfer eine sehr gute Seite:
Offerings to Gods



3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn ich den Text richtig verstanden habe, gehört man nur richtig dieser Glaubensrichtung an, wenn man Feste und Opfer praktiziert obwohl man an sie glaubt und auf seine Art betet und sich intensiv mit den Mythologie beschäftigt? Ich glaube kaum das das im Sinne der Götter ist.
Was aber wenn man keinem Kreis angehört? Wenn man zu keinen Treffen oder Festen geht oder es in seiner Stadt keine gibt? Oder die Feste/Praktiken so nicht mag wie sie irgendjemand da stellt und sie verändert? Wenn man z.B. Feste ausfallen lässt oder sie anders Praktiziert?
an ist ja auch Christ wenn man nicht ständig in die Kirche rennt oder keine Feste feiert.

So ganz verstehe ich daher den Standpunkt hier nicht.

LG

Claudia hat gesagt…

Ich bin nicht ganz sicher ob ich insgesamt verstehe...
Ich verstehe es so, das Sie meinen wenn man einfach nur glaubt ist man praktisch bereits Hellenist.
Meine Rückfrage wäre wenn in welche Richtung...

Es gibt ja meist einen Grund warum man an welche Götter glaubt. Entweder kennt man es nicht anders oder man hat sich dafür aus welchen Gründen auch immer dafür entschieden.

Bei dem schönen beispiel Christ kann ich dazu sagen: man ist Christ per definition weil man getauft ist.
das ist man dann auf dem papier. Dann ist wieder die Frage wie sehr das gelebt wird.
Und wie in welcher Form.

Die meisten modernen Hellenisten sind das aus Hingabe und nicht per defintion von außen.
Und innerhalb derer gibt es verschiedene Richtungen. Ich stütze mich hier auf den eher traditionellen Standpunkt in dem Frage ist, was man für die Götter tut, und hier bevorzugt im möglichst überlieferten "rekonstruktivistischem" Sinne und das doch reichlich abgespeckt.
Das steht auch im zusammenhang mit "Kharis" der angestrebten Beziehung mit den Gottheiten die wünschenswerterweise durch die Opferpraxis her gestellt wird. Zum eigenen Besten da sie eine endlose Quelle der Inspiration, Kraft und Wegweisung für einen sein können.

Claudia hat gesagt…

Im Gegensatz zu früher kann das heute zu einem sehr persönlichen Weg führen. Mystik ist ein Teil des modernen Hellenismus.

Zu Treffen oder Festen zu gehen ist nicht zwingender Bestandteil. Das nicht sich zu wünschen fänd ich allerdings seltsam da der Glauben in der Gemeinschaft wurzelt und viele alte Aspekte mit Gemeinschaft zu tun haben. Aber ob man hingeht oder nicht...das ist nun irrelevant.

Dem Kalender zu folgen ist wichtig für den traditionsbewußten.
Mal abgesehen davon das es wie das Wicca Jahresrad einen in die Welt einbindet.Was sehr schön ist.

Aber es gibt auch die rein philosophisch orientierten Hellenisten. Aber meistens begegnen mir dort keine Polytheisten bisher denen die Götter selbst jetzt konkret wichtig wären außer in einem metaphysischen Kontext.

Was im Sinne der Götter ist weiß ich nicht. Ich weiß nur das ich mir schon allein persönlich den Glauben nicht vorstellen kann ohne sich mit der Mythologie zu beschäftigen.
Und aus dieser schließ ich das es offenbar ein Interesse an uns gibt und wenn wir uns für sie interessieren muß es einen Weg der Verständigung geben.

Überall auf der Welt finden sich Opferrituale als Weg. Aus der Mode kam das grade in der christlichen Welt und die Selbstverständlichkeit wie das anderswo gelebt wird ist verloren gegangen und der Sinn nicht verstanden.
Ein Opfer ist eine Geste der Dankbarkeit und des sich öffnens. Ein Opfer kann auch ein Essen sein, von dem ein Teil den Göttern gegeben wird. Ein Opfer kann auch eine Spende sein das in Gedanken auch einem Gott gewidmet wird, oder eine Handlung. Ein ganzes Leben kann ein Opfer sein...

Ich hab jetzt schwer ausgeholt weil ich wollte das klar ist, das es hier nicht um das dogmatische an sich geht. Was ich hier im groben vorstelle ist der oberflächliche Konsens dessen was es bisher so gibt und wenn sich irgendwo traditonsbewußte Hellenisten treffen tun sie das was in diese Richtung geht wie ich es hier vorstelle.
Die religiöse Ebene ist die Praxis, die Beschäftigung mit den Göttern oft die philosophische, wo man sich trifft.

Was man glaubt ist persönlich.

"Nur" zu glauben dagegen fände ich auf Dauer etwas wenig. Für einen selbst. Das ist dann meist son Kopfding. Ich bin seit 30 Jahren Hellenist und davon sind weite Strecken reichlich praxislos gewesen und sind es alsmal immer wieder...das ist nicht das Thema.

Meine Antwort ist glaub ich allgemein, denn ich bin mir wie gesagt nicht sicher wie genau dein Kommentar zu verstehen ist. Es gibt jedenfalls keine Kirche aus der man raus geschmissen wird, weil man etwas nicht so und so opfert...das gabs aber im übertragenen Sinne früher in der jeweiligen polis durchaus. Was mit dem Glauben widerum der guten alten Griechen wieder zu tun hat. Weniger mit uns heute. Dieser Aspekt ist für uns heute sinnlos denn ich glaube keiner von uns glaubt ernsthaft noch das eine Stadt untergeht wenn nicht am dritten Mondtag pünktlich der Athene geopfert wird (so als beispiel und übertrieben...).

Die Beschäftigung mit dem ganzen hat heute zwei Aspekte: der persönliche und der verbindende. Worüber unterhalten sich zwei Hellenisten denn wenn sie sich treffen. Was verbindet sie...

Allein...geht alles. Zusammen brauchts nen Konsens.
Und das sag ich noch als buddhistsiche Hellenistin denn Götter in diesem Sinn versteh ich anders als der "reine" Hellenist, der womöglich noch dem Philosophen Salustius folgt.
Das und andere Begegnungen führen dann auch zu der Frage wer ist denn hier echter Hellenist.

So bitte ist das hier nicht zu verstehen. Derlei Diskussionen hat ich selbst genug.