Sonntag, 27. Oktober 2013

Begriffe - eine Klarstellung

Als ich heute morgen im Zug zur Arbeit saß und in Jordan Papers Buch über polytheistische Theologie las, kam mir das Bedürfnis auf was klar zu stellen.

Er geht am Anfang auf das Problem der Sprache und deren Einfluss auf unsere Denkweise ein. Umgekehrt hat jahrundertelange Denkweisen und Überzeugungen eines Volkes dessen Sprache geformt und unbewußt verbindet jeder automatisch etwas mit einem Wort.
Er erzählt wie wichtig es für ihn war in seinem Leben in China zu leben und dort viele viele jahre zu leben und in deren Sprache zu denken. Es hat dafür gesorgt das er vieles anfing anders zu verstehen, was weiter Früchte trug als er zurückkehrte nach Amerika.

Bei diesem Abschnitt musst ich inne halten und mir fiel etwas wichtiges ein.  Nämlich das ein Leser etwas hier auf dem Blog völlig mißverstehen könnte.
Es geht mir hierbei um Begriffe und Konzepte, die mir das erste mal im tibetisch-buddhistsichen Kontext begegnet sind und ich als geeignet sehe, meine Eindrücke und Ideen im hellenistischen Kontext zu bezeichnen.
Das könnte unglaublich mißverstanden werden.


Wenn ich hier bei meinen persönlichen Ausführungen vor allem zu Göttern und Wesenheiten, Begriffe verwende, die sonst nur im buddhistischen Kontext auftauchen, heißt das nicht, das ich sie auch so verstehe.
Das kann ich auch gar nicht.

Bevor es noch komplizierter wird hier ein Beispiel:

Das Wort "Verwirklichung" ist mir in Vorträgen zu Vajrayana begegent. Dort wird damit eine Art Fortentwicklung einer Person bezeichnet, die eine tantrische Gottheit praktiziert. Verwirklichte sind Menschen, die auf dem Pfad der Befreiung zum Wohle aller Wesen sind: Bodhisattvas.

Hinter diesem und anderen Worten und Begriffen steht ein ganzes System von Philosophie und gelebter Kultur, die ein bestimmtes Verständnis für die Wirklichkeit hat, das für uns zunächst mal fremd ist und es selbst nach Jahren dort leben wohl auch immer etwas bleiben würde.

Allerdings hat mich die Beschäftigung mit dem Thema und dem Versuch diese Dinge zu verstehen unendlich inspiriert, wenn es darum geht, meine eigene religiöse Heimat tiefer zu verstehen. Ja überhaupt sie als "Heimat" zu empfinden.

Ich bin wie jeder andere hier in einem vom monotheistischen und eurozentrierten Denken dominierten Land groß geworden. Wir nehmen uns immer heraus alles andere um uns herum definieren zu können und Wertmaßstäbe zu setzen.
Das ist auch und gerade mit den vorchristlichen Religionen passiert.
Die Mythologie der alten Griechen sind meist Unterhaltung und ein rein literarisches Erbe in den Schulen. Außerdem werden die göttlichen Wesenheiten bewertet nach kulturellen Maßstäben.
Und was dort passiert ist führt zu dem Phänomen heute, das viele meinen die Götter seien ausgedacht.
Das trifft vor allem auf die in diesem Kontext "kulturellen Götter" der Griechen zu. Vor allem Athene, die als "Verkörperung" oder "Repräsentantin" der Weisheit und geistigen Künste gilt.

Vielleicht merkt jemand wie ich auch, das "Verkörperung" und "Repräsentant" ein wenig mechanisch klingt. Als wäre jemand wo hingesetzt worden und andere sagen: so du bist das jetzt.

Das hat auch seltsame Früchte im Neuheidentum. Mir ist vor dem Hintergrund wieder eingefallen, das in den jeweiligen individuellen neuen Kulten sich oft deshalb rein auf die Naturgottheiten oft konzentriert wird, weil die anderen ja nicht "echt" seien.

Dem widersprach eine aufwühlende und ein wenig verstörende Traumerfahrung, die ich mit Athene vor über 10 Jahren hatte.
Weder dafür noch für andere Erlebnisse und Empfindungen hatte ich Worte oder Konzepte die dem entsprachen, um mir beim verstehen und kommunizieren zu helfen.

Seitdem ich Vorträgen und Seminaren zu Vajrayana gelauscht habe, habe ich die.

Hier durfte ich das erste mal erleben, das Qualitäten wie Weisheit oder auch andere, lebendige erfahrbare Wirklichkeiten sind, genauso wie Wind und Feuer.
Was ich auch erfahren durfte war das es um unterschiedliche Ausprägungen von Qualitäten geht. Ja es wird hier verdammt kompliziert.

Die sache ist die: hier hatte ich endlich ein Wort das die lebendige Erfahrung ausdrückt: Verwirklichung.
Und wenn ich dann von Göttern spreche, die die diversen Qualitäten verwirklichen, meine ich damit etwas zutiefst lebendiges.
Nichts lebloses, ausgedachtes...vom Menschen projiziertes.

Umsomehr trifft das auch zu, wenn es um die "Dualität" Weisheit und Methode geht. Vajrayana-Buddhisten verstehen sofort was ich meine. Das ist ein Thema auf das ich hier auch immer wieder zu sprechen komme, weil mir das Konzept etwas neues in der griechischen Götterwelt gezeigt hat, was ich vorher nicht sehen konnte. Also werde ich wohl versuchen müssen es dann zu erklären.

Das ist ein Beispiel. Die Dinge haben für mich mit diesen Begriffen aus dem anderen Kulturraum auch eine andere Bedeutungsmöglichkeit bekommen. Ich will nicht buddhistische Ansichten, die ich gering verstehe, auf die griechischen Götter pflanzen. Aber ich komm auch nicht umhin, meine dadurch neu gewonnenen Ansichten begründen zu wollen.

Ich sehe umgekehrt auch keine Untergrabung hellenistischer Ansichten. Ich fühle mich eher inspiriert das ich vielleicht einen Zugang habe, wie die Gottheiten ursprünglich mal empfunden und verstanden wurden. Vajrayana ist ein lebendiges System in einer Kultur, das seinen ursprünglichen Glauben nie untergraben hat. Tibeter sind irgendwo absolute hardcore Polytheisten. Sie sprechen z.B. von Erdgöttinnen und nicht von einer Erdgöttin. Ihre Kultur ist eng verbunden mit dem sibirischen Schamanismus verwandten Elementen und Traditionen. Die Art und Weise des Umgangs mit diesen Wesen und Kräften, die auch Hellenisten verehren, ist dort erhalten geblieben. Bei uns jedoch gibt es da ein Vacuum. Wenn mich die Begegenung mit dieser Welt so inspiriert das ich in einer Gottheit etwas sehe, was intellektuelle Forschung und Konzepte nicht vermochten und sie mir näher bringt, kann das nur gut sein.

Es ist etwas anderes wo ich zugebe, wenn ich z.B. eine Gottheit als einen Ausdruck der Tara erlebe. Das ist ein persönlicher Eindruck, der sich ändern kann. Wahrscheinlich wird.
Hier vermischen sich bei mir dann die Systeme, aber meine das auch nur absolut persönlich.

Bevor ich zu neuen posts komme, dachte ich das sei wichtig klar zu stellen. Ich möchte nämlich über Zeus sprechen, der für mich plötzlich etwas darstellt, was vor meiner Begegnung mit dem Buddhismus nicht möglich war.

Wenn ein Leser dennoch irritiert oder wütend sein sollte, bitte fragen. Ich versuche gern das dann persönlich zu erklären, warum ich nicht anders kann, als diesen und jenen Begriff so zu verwenden, der in seinem ursprünglichen Zuhause, anders oder viel weitreichender verstanden wird. Wenn jemand einen besseren Begriff weiß, der mir einfach nicht einfiel, dann auch her damit.



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