Freitag, 25. Oktober 2013

Die Macht der Bilder

Wenn ich hier schreibe laufe ich Gefahr zu sehr bezug auf philosophische Theorien zu nehmen. Dabei ist Philosophie im großen und ganzen gar nicht mein Ding. Natürlich komm ich auch nicht umhin auf die vielen Bedeutungen von Mythologie zu sprechen oder Rückgriffe auf philosophische Konzepte und Begriffe zu machen, wenn es darum geht definieren zu wollen, was mich beim Hellenismos eigentlich umtreibt.
Im Artikel zur Schönheit des Hellenismos blieb ich auch sehr abstrakt und theoretisch. Aber was ich dort nur anriss, nämlich die Architektur und die Kunstkultur, darauf komm ich jetzt kurz und äußerst emotional zurück.

Wer die Bücher und Artikel zum modernen Hellenismos liest denkt schnell wir wären eine sehr kleine Sekte, die einerseits einem primitiven Glauben und Kultpraxis anhängt, andererseits dann Gespräche über Philosophie, Ethnologie und Etymologie führt. Mein erster Kontakt zu deutschsprachigen Hellenisten hat mich vertrieben, weil sich die Gespräche kontinuierlich auf diesem Niveau bewegten. Und so sehr ich ihre Ausführungen schätze (z.B. hier ), es macht die Religion an sich nicht aus.
Und es tat es auch nie für die Menschen der Antike. Eigentlich ist das ganze viel simpler und wenig abstrakt.
Was uns nur heute fehlt ist das womit die früheren Menschen aufwuchsen. In der ständigen Präsenz der Bilder des Göttlichen im Alltag:




In den Hermen, auf den Vasen, Trinkschalen und Amphoren im Haus und in der Öffentlichkeit, an den Tempeln die überall groß und klein waren, symbolisch wie die Hermen als einfache Säulen bis hin zu den feinsten anthropomorphen Darstellungen des Göttlichen, die manchmal ganze Geschichten der Mythologie wieder erzählten.

Es sind auch die Bilder die mich dahin brachten und viele andere. In den Artikeln zu Athene und Hephaistos habe ich es mal anklingen lassen, das das zentrale Element für meinen Glauben, die Empfindungen sind, die mich überfallen oder in mir wach werden beim Anblick eines Abbildes der Gottheit oder bei den dynamischen Bildern der mythischen Geschichten.

Als Kind las ich fasziniert die Mythen und Sagen zum ersten Mal und war tief berührt. Auch dachte ich, es wäre doch eigentlich logischer die Welt als solch ein Gebilde widerstreitender Kräfte zu verstehen, als wie es mir im Religionsunterricht versucht wurde einzureden, was zwangsläufig zu einem inneren Doppelleben führen muß: das naturwissenschaftliche gegen das religiöse.

Diese Probleme hatt ich als früher Fan naturwissenschaftlicher Bücher bei der Mythologie der vorchristlichen Völker Europas nicht. Ich war ein Kind und verstand die Geschichten instinktiv als Metaphern für ansonsten unerklärliches, weil es über den Verstand des Menschen hinaus geht. Und gleichzeitig aber auch als Geschichten die auf etwas wahres hinweisen das die Erforschung regelrecht herausfordert.

Nirgendwo stimmt das mehr, wenn es um das Gewusel an Gefühlen geht, wenn es um die Religion geht. Was fühl ich da? Sehnsucht, Hingabe, Frieden, Freude, Ehrfucht, Scheu, Geborgenheit...in einem wilden Wechsel je nachdem welche Gottheit ich gerade betrachte. Versuche ich an alle zu denken, komm ich in einen Zustand rein, wo das Denken in Worten aussetzt und ich mich bald verliere in einem Empfinden, das ich nicht beschreiben kann. Ich weiß nur, ich will es nicht mehr missen.
Aber das Entstehen dessen ist eng verbunden mit den Bilder der Geschichten und den Darstellungen des Göttlichen.

Umso mehr tut es weh, wenn die wenigen Überbleibsel dieser Kultur oder ihre Wiedergeburt im Jugendstil z.B. in Darmstadt auf der Mathildenhöhe selbst heute noch mutwillig zerstört werden.
Eigentlich ist es hier Ziel der Kunst das wunderbare der Welt, das versteckt und hervorgebracht werden muß, mit allen zu teilen. Aber jene die das zerstören empfinden dazu keine Verbindung.


Was ich im o.g. Artikel schrieb, das mich die Beschäftigung mit Hellenismos und seinem Erbe stolz macht Deutsche zu sein, liegt an den Bildern, die eine Verbindung zu einer Kultur und einem Geistesstrom Europas über Jahrhunderte schafft und meine Identität mit formt. Von jedem in Europa an sich...aber das passiert bei vielen widerum nicht.

Ob das Christentum da gewonnen hat? Über Jahrhunderte wurden Tempel und Abbilder zerstört und alte Kulte vernichtet. In den Schulen wird erfolgreich von einem Beginn der menschlichen Werte seit Beginn des Christentums gesprochen und die Werke antiker Dichter und die Formeln und Theorien der Mathematiker, die Schriften Sokarets oder der Sieben Weisen völlig getrennt vom damaligen polytheistischen Glaubens dargestellt.
Oder liegt es an der Aufklärung, die uns zwar vom primitiven Aberglauben befreit hat, aber uns auch ganz ins materielle Denken warf und heute fast nur noch Prinzipien wie Ruhm und Reichtum gelten. Völlig unabhängig von der Person. Wer versteht noch religiöse Gefühle, wenn Liebe schon zu einem vergriffenen Wort geworden ist, das für viele ein Austausch von Dienstleistungen geworden ist, das auch damit endet wenn die Leistungen enden.

Wie soll dann der typische Deutsche, oder jeder andere, etwas empfinden wenn er eine Statue der Athene sieht oder die als Steinbild geformten Dichtungen des Goethe im Platanenhain auf der Mathildenhöhe.
Wie soll er überhaupt so tiefe Gefühle verstehen, denn von nichts anderem sprechen die vielen Bilder und Geschichten. Es gibt nichts heiligeres als Bilder und ihre Botschaften. Die älteste Sprache der Welt.

In den Augen der meisten muß man dann als seltsam gelten. Kommen dann noch die Erfahrungen hinzu, die man durch die Fanatiker in der Welt erleben darf, kann mans auch nicht verdenken.
Das Thema ist gefährlich.
Dennoch nimmt man sich da etwas, wenn man diese schlimmen Erlebnisse in einen Topf wirft, mit dem religiösen Erleben der Antike und ihrer Früchte, die zu den ersten Anfängen von hohen ethischen Prinzipen führten und noch heute zitiert werden. Alltäglich.

Witzigerweise verstehen das aber einige Atheisten, die ich immer wieder treffe. Sie glauben zwar nicht an einen Gott oder an Götter, aber sie lieben auf eine gewisse Art die alten Geschichten und schätzen den Ideenreichtum der Antike. Und manche von Ihnen lesen und erforschen die Historie, die alte Kultur und die Religion mehr als so mancher moderner Polytheist.

Welch Ironie.

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