Montag, 4. November 2013

Zeus, der Feminismus und ich

Als ich noch sehr jung war entdeckte ich im Regal meines Vaters die Bücherbände Märchen und Sagen. Die doch sehr kindgerechten Versionen der alten Mythen waren das erste was ich jemals von Mythologie im allgemeinen und griechischer im besonderen gelesen hatte. Und sie schlugen mich unendlich in ihren Bann.
Es gab natürlich Favoriten von mir. Und dazu gehörte u.a. der Mythos von dem Helden Perseus. Es ist eine der wenigen Heldenmythen, die sowas wie ein Happy End haben. Aber mir ging es dabei eher um Danae. Sie wird von ihrem Vater in einen dunklen Turm weg gesperrt, isoliert von allen anderen und niemand außer ihrer Amme darf zu ihr. Und das nur weil dieser Panik aufgrund eines Orakelspruchs hat, das ein Sohn der Danae zu seinem Verhängnis führen würde. Danae verlassen und isoliert im Finstern ist natürlich entsprechend unglücklich und überzeugt das sie dort den Rest ihres Lebens verbirngen muß. Aber Zeus gelangt in Form eines goldenen Regens zu ihr und zeugt dabei einen Sohn mit ihr.



Irgendwie empfand ich diese Erzählung immer als tröstlich. Das Bild des Regens auf Danae als warm und liebkosend und voller Zuneigung. Wie grausam dagegen der Vater, der noch einen drauf setzte und Danae nach der Geburt ihres Sohnes in eine Kiste steckte und sie aufs Meer hinaus warf. Zeus rettet sie wieder mit Hilfe von Poseidon, und führt sie zur Insel Seriphos, wo der Fischer Diktys sie findet und freundlich aufnimmt.

Die Geschichte die folgt ist weiter geprägt von göttlicher Anteilnahme und Hilfe: Athene steht Perseus bei seinen Heldentaten bei und am Ende herrscht Diktys zusammen mit Danae auf der Insel und Perseus tötet zwar tatsächlich seinen Großvater, aber auf die typisch griechische tragikkomische Art: aus Versehen beim Diskus werfen.

Die ersten Bilder, die ich von Zeus hatte waren diese zwar stürmischen und erobernden Liebschaften, aber getragen von Anteilnahme und echter Zuneigung.

Ich dachte ansonsten nie viel über ihn nach. Ich war bis Ende 20 kein überzeugter hellenistischer Polytheist, geschweige denn das ich dazu stehen konnte Polytheist zu sein. Das war schließlich dumm.
Diese diffuse Sehnsucht nach der Welt alter Mythen stillte anfangs Wicca, das sich mir zunächst als Erdreligion darstellte, in der Verehrung einer Muttergöttin hauptsächlich, die sich um ihre Kinder sorgt. Es war gut so wie es war für eine Weile.
Allerdings war diese Welt auch sehr geprägt vom Feminismus, von der sogenannten dianischen Fraktion im Wicca und feministischer Theologie.
Das war jetzt erst mal nichts schlechtes. Ich habe noch zu sehr die frauenfeindliche und bevormundende Welt miterleben dürfen, entweder durch Erzählungen von meiner Familie oder selbst am eigenen Leib. Und ich durfte spüren wie tief solche Wunden gehen, die noch folgende Generationen tragen dürfen. Ohne auf Details einzugehen (wers wissen will kann fragen) war das Ergebnis das ich eine unterschwellige Wut auf alles männliche hatte und ich damit so antwortete wie viele feministischen Heidinnen: ich strich aus meiner Wahrnehmung das männlich göttliche als nicht wichtig.
Ich ging nicht so weit, es ganz zu streichen wie manche, die die ganze Welt als weiblich und das männliche als nur teil-weiblich ansahen. Das hielt ich für Stuß. Aber mich vor männlichen Göttern zu verneigen oder sie zu verehren damit hatte ich ein Problem.
Bei manchen mehr, bei manchen weniger. Einer ließ mich jedoch nicht los. Er den ich schon anderswo erwähnt habe, und der auf für mich schon fast beängstigende Weise einfach nicht aufhörte mich zu faszinieren. Aber das ist eine andere story, wenn auch letztlich dafür äußerst wichtig, das ich da bin wo ich jetzt bin.

Ich erinner mich an einen Moment, wo diese Abneigung gegen männliche Herrschergötter richtig Fuß fasste. Ich weiß schon gar nicht mehr das setting. Ich war früher so viel unterwegs, bei so vielen verschiedenen Veranstaltungen und Gruppen und Treffen...aber ich weiß noch genau den Moment und das Gesicht der Frau, die plötzlich ausgerechnet von Danae und dem goldenen Regen sprach. Mit Wut und Haß in der Stimme sagte sie laut: wie er sie einfach so mit dem Regen bedeckt und begattet, eigentlich ist das doch eine Vergewaltigung.

Ich war total geschockt. So hatte ich das nie gesehen. Für mich wie für viele Frauen ist das eh das Thema, wo allein das Wort Bauchkrämpfe verursachen kann und die letztlich oft chronische Angst allein davor zu vielerlei Problemen und Verhaltensstörungen führen kann. Viele verdrängen es, andere lassen sich davon beherrschen, aber wirklich geheilt kann es nie werden, denn es ist allgegenwärtig.

Und mit Zeus als Vergewaltigergott war ich außerdem mittendrin in der Geschichte Griechenlands, das auch eine Geschichte der Plünderung, Kriege und Vergewaltigungen ist. Eine Geschichte, die sich sehr in der Mythologie nieder schlägt. Und anders als bei den Asen und Vanen der nordischen Mythologie, kann man schwer erkennen welche Gottheit die der Ureinwohner war und welche der der indoeuropäischen Einwanderer. Die griechische Mythologie ist eine komplexe Synthese aus der verschiedenen Wahrnehmung und Entwicklung der Völker, der Sieger und der Besiegten und dann auch noch geprägt von unterschiedlichen Arten der Einwanderungen: von verhältnismäßig friedlich bis zu äußerst grausam, einfallend und plündernd, so das wie es in einem meiner Bücher heißt: die Frauen selbst der 3. Generation der Bevölkerung noch den Tisch verließen, wenn ein Nachkomme dieser Einwanderer Gast im Haus war.

Der Name Zeus stammt von dem Gott der einwandernden Horden. Er war schon immer der Gott von Gewitter und Regen, als solcher auch Beschützer aber auch Zerstörer und ein Gott der Fruchtbarkeit. Er muß sich mit den Gottheiten der Erde eines jeden Ortes verbinden. Die Beschreibung wie dies von statten ging ist wohl eher der Geschichte zuzuschreiben.
Das die zahlreichen Geliebten einst Göttinnen auch waren ist etwas was ich lieber in einem Artikel zu Hera schreiben möchte.

Vielleicht liegt es am Unbewußten wie Jung es so schön festhielt, als unserer Wahrnehmung der anderen Wirklichkeit als Archetypen. Jedenfalls hatte ich über Jahre ein Problem mit Zeus, wie auch mit seinem Sohn Apollon. Und ich war damit nicht allein. Jede Frau, die ich damals in den spirituellen Kreisen traf, lehnte ihn grundsätzlich ab. Er wurde dargestellt als Nachahmer der Muttergöttin, als er Dionysos sich in den Schenkel schnürt und als er Athene "gebiert". Athene seine Lieblinsgtochter galt vereinzelt fast als Verräterin an den Frauen, weil sie sich so männlich gab. Hestia wieder als zu brav und kein Vorbild, Demeter als tragisches Vorbild vieler Mütter, denen ihre Töchter weg genommen wurde, Hera als (sorry!) verbitterte Alte (oh sorry!!!) und Aphrodite als Sexobjekt.
Eigentlich blieben nur Artemis und Hekate als Vorbild übrig und eben das Bild der großen Muttergöttin selbst, der man wieder zu alter Größe verhelfen muß.

Vielleicht war diese feministische Zeit notwendig, wer weiß.  Jedenfalls kroch bei mir so langsam aber sicher die polytheistische Wahrnehmung der Welt immer mehr an die Oberfläche und mit ihr auch das Bedürfnis allen Göttern und Göttinnen Genüge zu tun. Es hatte seine zaghaften Anfänge mit einem noch sehr im Wicca Style orientierten Gamelia (Fest der Hochzeit von Zeus und Hera zu Ehren) Ritual vor vielen Jahren. Ich hatte einfach beschlossen dem Kultkalender zu folgen, aber da ich sonst noch groß nichts wusste, außer diesem, groben Beschreibungen wie das Ritual ging und sehr dem Wiccastil anhing, machte ich das so. Zu meinem eigenen Erstaunen hatte das eine Wirkung über das ich eigentlich bisher nie sprach. Des Nachts danach wurde ich wach und hatte ein plötzliches Gefühl des Glücks und der Ekstase, das mich so heftig durchfuhr, das ich schon wieder Angst bekam.

Heute denke ich das war Zeus, der sich gefreut hatte. Heute wo ich schon öfter solche Reaktionen oder plötziche Gefühle der Zuneigung und des Friedens als Folge einer kurz vorher erfolgten Verehrung einer Gottheit erleben durfte, bin ich mir dessen sicher.

Leider war ich aber noch sehr geprägt und äußerst beeinflussbar. Ich war mir nie sicher ob das was ich tue richtig ist oder wie es ausschaut in den Augen anderer. Und nirgendwo berührte mich das mehr als in meiner eigenen aktiven Ausführung meines Glaubens.
Das Ergebnis war das ich bei dieser ganzen inneren Zerrissenheit aufgab. Für zu viele Jahre machte ich gar nichts mehr oder tat das was andere machen.
So etwas ist nie eine gute Idee. Und das ließ weder mein Unterbewußtsein noch die Götter zu.

Ich musste erst ganz woanders hin um zu erkennen, was ich da eigentlich hatte. Und wie schön das war. Und wie wichtig eigentlich.

Und schließlich ließ ich mich doch wieder auf die Götter ein, folge strikt der Anweisung des Kalenders, der einfach sagt: heute ehrst du Zeus, morgen Athene, übermorgen Apollon etc...ich machte es einfach. Und seitdem ist meine Abneigung weg. Komplett.

Ich denke es ist eine gute Idee sich mit der Geschichte auseinander zu setzen und Mythologie vor diesem Hintergrund zu verstehen lernen. Nicht nur ich, auch Elani z.B. muß sich oft gegen Vorwürfe von Feministinnen wehren wie wir nur solch üblen Wesen huldigen können. Aber die Götter selbst haben mit diesen Dingen wenig zu tun. Und sie haben es auch nicht nötig. Ich bezweifel zutiefst das ein Gott wenn er wirklich derweil wollte wie eine sexuelle Verbindung, das er jemanden zwingen müsste.
Ja Mythologie ist ein Weg etwas über die Götter zu lernen, noch mehr aber über die Wahrnehmung der Menschen was ihre Götter angeht und was sie damit verbinden. In Göttergeschichten drückten sich auch Schicksale eines Volkes aus und Ideen der Geschichtsveränderungen. Nicht umsonst gibt es eine ganze Wissenschaft, die Philologie u.a., die sich damit beschäftigt.

Und Götter abzulehnen, whärend man einerseits an sie glaubt, wie ich es tat, ist eine dumme Idee, denn man nimmt sich da was.

Erst war es Athene die mich darauf aufmerksam machte, das Zeus viele Attribute eines obersten Schützers und Beschützers zeigt: das er erhabene Prinzipen wahrt und sie ehrt. Das er der Gnade und Milde fähig ist. Und er ist der oberste Chef auf dem Olymp, nicht weil er der grausamste und gewalttägste ist, sondern der geschickteste, der immer auf den richtigen Rat hört.

Und am Ende saß ich eh hier und fragte mich was mein Problem ist: denn ich liebe Gewitter...


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