Sonntag, 26. Januar 2014

Die Interpretation und Mehrdimensionalität von Mythen: Persephone

Es ist schwer ein Bild von Persephone allein zu finden. Sie wird meist an der Seite ihrer Mutter Demeter, an der Seite von Hades und im Rahmen von Bildern geziegt, die die berühmteste Szene aus ihrem berühmtesten Mythos zeigen: ihrem Raub, auf englisch "rape" was die Bedeutungsttragweite vertieft und verstärkt.

Da ich im Moment ein wunderbares Buch lese; Persephone - Queen of the sacred ways und die Vielfalt der unterschiedlichen Artikel und modernen Poesie genieße habe ich mich auch gleich erinnert welche Bedeutung Persephone und ihr Mythos einst für mich hatte und wie ich es vielleicht wieder ins Bewußtsein holen sollte.
Auch finde ich hier einen Einstieg in die Mythenwelt und ihrer Komplexität und ihrem geistigen Reichtum. Weshalb dieser Text auch als Einführung dient. In das Wesen der Göttin und in den Bedeutungsreichtum, der ihr Mythos entfaltet.

Heutzutage wird Persephone meist reichlich kurz als Göttin des Frühlings beschrieben, häufig interpretiert als nicht anders als ihre Mutter, eine kleinere Demeter, deren Mythos dazu dient die Jahreszeiten zu erklären. Meist gilt die Zeit ihres Raubes als im Herbst verortet und ihre Zeit in der Unterwelt als der Winter. Für uns nördliche Europäer sicher richtig. Für Hellennen und alle Länder am Mittelmeer mit ähnlichem Klima wird inzwischen oft genug davon ausgegangen, das tatsächlich der Sommer gemeint sein könnte, der durch seine Trockenheit weitaus gefährlicher sein konnte für das Leben auf der Erde.
Wenn ich ihre andere Mythen mit einbeziehe, sehe ich das inzwischen auch so. Meine persönliche Meinung ist, das Persephone keine Göttin des Frühlings allein ist, sondern generell der jungen Triebe des Korns vor allem und der Fruchtbarkeit der Erde selbst, was heißt: wie feucht die Erde (noch) ist.
Aber das führt schon zu weit, denn über keine andere Göttin und ihre Mythen habe ich zeitweise mehr gelesen und habe dort so gut fest stellen können, das kein Mythos und keine Gottheit allein interpretiert werden sollte, sondern stets im Zusammenhang mit allen anderen und idealerweise mit allen bekannten Varianten. Gleich wie berühmt und bekannt sie heute sein mögen und andere weniger.
Der homerische Mythos allein, der Persephone als Opfer vor allem zeigt und bar jeder Eigeninitiative bis zum schluß, führte zu vielen Interpretationen. Einige findet man hier, da ist es v.a. philosophisch oder andere, die psychologisch das Archetyp des weiblichen Opfers beschrieben sehen oder andere, die feministisch soweit gehen den männlich Part zu streichen (Persephone geht freiwillig in die Unterwelt, warum auch immer...) oder den Mythos so sehen wollen, das Persephone sich die Entführung heimlich wünscht.
Alsweilen gibt es Sichtweisen, die nicht nur mir Bauch weh verursachen, andererseits zeigt das aber auch wie dieses alte mythologische Bild heute noch fasziniert und regelrecht ruft und fordert sich mit ihr, Persephone, zu beschäftigen.

Und zu recht! Ihr wichtigstes Erbe sind einige der bedeutsamsten Mysterien und mystischen Lehren der Antike. Ihre Mysterien bei Eleusis, über die sie zusammen mit ihrer Mutter gebot, wurden 2000 Jahre lang abgehalten. Lange bevor es die archaische Kultur Griechenlands gab und lange noch bis ins römische Zeitalter des um sich greifenden Christentums hinein und wurde mit Gewalt allein beendet. Ihre Epiphanie, das die Initianten der Mysterien schließlich ihr begegneten und "schauten" war Ziel und zentrale Botschaft. Ohne Furcht konnte er dann dem Tod begegnen so hieß es.


Eng verbunden mit diesen Mysterien und ihr selbst sind die Mysterien des Dionysos und mit ihm der Kult des Orpheus, die Orphik.
Hier wird Persephone zur Mutter unserer Seele, die das Streben zum göttlichen in sich trägt und durch eine Verkettung von Umständen zur Mutter der gesamten Menschheit an sich.

Und Persephone ist die furchbare, gefürchtete Königin der Unterwelt. Ein Aspekt der heute oft gern übersehen wird, auch ihre oft aktiven Rollen in Mythen und Heldengeschichten, die die Unterwelt berühren, werden offenbar übersehen.
Oft lese ich, auch im o.g.link, sie wäre später in der Antike zur Königin der Unterwelt geworden, zuvor war sie stets Kore, die Tochter der Demeter. Es gibt genügend Quellen, die das Gegenteil belegen können.
Kerenyi kennt sie als die andere Aphrodite, deren Boten die Sirenen sind. Sie hatte einen Liebhaber namens Adonis, den sie mit Aphrodite teilen muss und dessen Rückkehr in die Oberwelt von sprießenden Blumen begleitet wird. Eine weitaus deutlichere Allegorie auf den Frühling, wie ich finde.
Nach Apollodorus ist sie auch nicht die Tochter der Demeter, sondern der Styx: dem von den Göttern selbst verhassten Unterweltfluß, da sie auf ihn schwören und seine Göttin mit ihrer Gewalt und Kraft wirkt passend als Mutter der Unterweltkönigin.

Ich hoffe sehr ich komme zeitnah dazu, dies alles stück für stück darzulegen. Es ist faszinierend und alsweilen überfordernd zugleich sich die vielen Betrachtungsebenen des Persephone-Mythos anzuschauen und dann noch fest zu stellen, das es immer noch mehr gibt.

Wer aber nun ist Persephone für mich. Sie ist durch und durch eine mystische Göttin, der es zu eigen ist das ihre Natur fließend und transformierend, sich verwandelnd ist. Sie ist sanft und schrecklich zugleich. Sie ist die Mutter unserer Seelen, oder besser der transformierenden Kraft in ihnen und sie ist die ewige Jungfrau, reich an jugendlicher Energie und Frische. Und sie ist auch Mutter der Erinnyen, den Rachgeistern, die jene mit Wahnsinn schlagen, die schwere Verbrechen wider die Natur begehen.
Das alles und mehr ist Persephone. Sie ist die Königin der Geister: der Schatten in der Totenwelt und jener die in den Tiefen leben. In den Seen, geheimen Quellen und unterirdischen Flüssen und jenes geheimnisvollen Flusses, der die Lebenskraft selbst ist.
Sie kann Wissen verleihen und Vergessen verursachen. Sie selbst gilt als äußerst weise, und da sie weise ist kommt Hades selbst zu ihr, wenn er Rat sucht. Dieses Zitat und woher das ist, damit werde ich das nächste mal anfangen.

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